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Im Banne der Sterne

Von |F|E|L|I|X|| E|P|P|E|R

Still und leise boomt sie – die Astrologie. Ein harmloser Freizeitspass, eine neue Religion, ein wahnwitziger Versuch, die Welt zu erklären? Ein gutes Geschäft auf jeden Fall! Gedanken zu einem Kult, von einem «zynischen Spötter» mit Sternzeichen Zwilling.

 

Wo anfangen? Ja, eigentlich geht's oft um ganz verständliche Wünsche: Jürgen würde sich gerne wieder mal flachlegen lassen. Fragt sich nur von wem. Jürgen ist modern, internett und astrolog (Fische-Aszendent). Schreibt das auch rein in seinen einsamen Hilferuf in die Newsgroups «de.alt.astrologie» und wartet auf Antwort. Er will sich die Jungfrauen-Aszendenten fischen, weil die GENAU GEGENÜBER seinem Aszendenten liegen. Gegenüber im grossen weiten All und darum interessant, weil anders, Aber tja, wie man reinruft, so schallt es heraus. Das ist wie Kotzen gegen den Wind. Armer Jürgen – und die ganze Welt kann lesen, was ihm Heike schrieb.

«Ich bin Jungfrau Aszendent und finde Fische-Aszendenten eigentlich weder interessant, noch kann ich sie als passende Ergänzung erfahren, eher im Gegenteil... Bisher ist meine Erkenntnis noch nicht statistisch abgesichert, da es sich momentan nur um eine Frau in meiner Umgebung handelt. Im Allgemeinen habe ich meine (noch) unüberprüften Vorurteile gegenüber Fische-Menschen: zu langweilig, zu wenig 'geistbetont', einfach irgendwie nichts für mich. Gruss Heike.»

Heike geht offenbar dem beliebten Hobby der Astro- JüngerInnen nach: dem Sammeln und Jagen nach Geburtstagen und – minuten. Immer mehr Menschen wissen ihre Geburtsminute auswendig. Denn auf die kommt es an. Bei Erstgebärenden dauert die Geburt zwar zwischen 1 und 24 Stunden, aber im Geburtsschein steht dann schon eine genaue Zeit. Mit jedem Fische-Aszendenten, den sie kennenlernt, kann Heike ihre Theorie verfeinern. Und es ist nicht so, dass die Leute vorsichtig mit sich umgehen. Das Sternzeichen plappert man aus – man hat's als Kind ja gelernt, als fünftes Wort nach Mama-Papa-Pipi-Kaka: – Skorpion.

Gefährliche Waldbuben aus Österreich

Wenn Horoskope Wahres über einen Menschen aussagen, dann darum, weil wir in diesem Wahnsystem aufwachsen und in die Schemen des Tierkreises gedrängt werden. Wer das bezweifelt, soll mal bedenken, was die Erziehung, die den Mädchen und Jungen unterschiedliche Rollen zuweist, für Folgen hatte und hat. Frauen nahmen die ihnen anerzogene Frauenrolle als natürlich an, Erst als sie begannen, die Voraussetzungen des Systems zu hinterfragen, konnte die Emanzipation beginnen.

Wann emanzipieren wir uns von der Astrologie? Zur Zeit sieht es alles andere als danach aus. Die Grenzen zwischen den astrologischen Laien und den Fachleuten verschwimmen zusehends. Astrofirmen bieten Massen von Software an. in den Newsgroups sammelt sich der Datenmüll – mit kleinen Lichtblicken wie der folgenden Warnung: «Nehmen sie sich am 13.11.96 um die Mittagszeit vor Österreichischen Waldbuben in acht!!!» Solche Ironie ist selten; wenn ich mit Astrofreaks spreche, kann ich die geballte Kraft des Universums spüren, die auf ihnen lastet ». »

Horoskope aus dem Computer

Astrologisches Wissen ist uralt, stammt aus einer Zeit, als der Mensch unmittelbar mit dem Kosmos verbunden war, noch keine Robydog-Kästen benötigte, ein Sklave noch ein Sklave und ein Herr noch ein Herr war (und nur er ein Mensch). Dieses göttliche Wissen hat sich erhalten: In den Sternen steht unser Schicksal geschrieben. Heutige Astrologinnen sprechen nicht gerne von Schicksal, lieber reden sie von Entfaltungsmöglichkeiten, Chancen.
Viele schustern sich ihre Kennt-nisse selbst zusammen, aber immer noch boomt das Big Business: Wer bei einer Firma wie «Astrointelligence» eine psychologische Horoskop-Analyse machen lässt, bekommt für 72.- Franken rund zwanzig Seiten Text, Errechnet und zusammengestellt von einem Computerprogramm. «Sie brauchen andere Menschen – und die anderen brauchen Sie ... » Schön, das wieder einmal zu erfahren, «aber ein Grossteil des Lebens besteht aus kleinen Kompromissen», gilt es zu bedenken. Wie wahr und tief. Niemals würden wir uns als lang-weilige, wenig geistbetonte Fische bezeichnen lassen, schliesslich zahlen wir. Das grosse Geschäft, das Horoskopfirmen wie «Astrodata» und «Astrointelligence» ma-chen, ist deshalb vielleicht gar nicht nur von Übel, weil die Kundin Königin ist. Das Berufsgelöbnis des Deutschen Astrologenverbands verlangt etwa von seinen Mitgliedern, sie sollen ihren KlientInnen «niemals etwas sagen, was sie innerlich hemmt oder an ihrem Wohle hindert.»

Pluto ist Schuld an AIDS

Weniger menschenfreundlich sind die AstrologInnen, wenn sie ihre Weltanschauung in Büchern wie etwa «Das Erotische und das Dämonische» aus dem Verlag «Astrodata» darlegen. Da sinniert man über die Schuld von Pluto an AIDS und gibt Weisheiten von sich wie: Betroffen von AIDS seien die Leute, «die sich gefühlsmässig nicht mehr berühren lassen. Umso heftiger muss dann die körperliche Empfindung sein, die durch aggressive Penetration, z.B. Analverkehr oder Heroinspritze, vollzogen wird.» Homosexuelle und Drogensüchtige verweigern «die Wandlung undVeränderung durch die Bewegung.» Also selber schuld ... ? Was sonst. Pluto im Mars weist darauf hin, «dass die Sexualität auch eine seelisch verwandelnde Dimension beinhaltet, der man sich nicht ungestraft entziehen kann.» Im gleichen Buch steht auch geschrieben, dass Pluto den gestörten Ying-Yang-Pol in seiner besonders krankmachenden Wirkung 1986 und 87 an den Tag gebracht hat, als überdurchschnittlich viel über AIDS geschrieben wurde.

Man stösst also wieder ins gute alte esoterische Horn: Unser Los haben wir uns selbst zuzuschreiben. Unsere Schuld liegt wenn nicht in diesem Leben, dann in früheren begründet. Die Hauptbetroffenen von AIDS in Afrika und Südamerika, die 'meist weder schwul noch drogenabhängig sind, haben also anderes verbrochen.

Schön. Vielleicht würde es ja helfen, wir würden mit einer Star Wars-Flotte und Laserkanonen den bösen Pluto pulverisieren. Einfacher zu verwirklichen wäre allerdings die Idee, auf die mich ebenfalls eine Astro-Newsgroup brachte (Ihr seid also selber schuld!). Ob man auch für das Leben auf anderen Planeten Horoskope anfertigen könnte, wurde da eifrig diskutiert. Ob wir nicht am besten all diese Leute in ein Raumschiff packen und auf den Mond schicken, damit sie dort ihre Theorien überprüfen können?

Buchtip
Harald Wiesendanger, Der Streit ums Horoskop, Aurum Edition 2000

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