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Neuer Roman
Eine Kindheit in Kurdistan
Der Andrang war gross an der Vernissage von Yusuf Yesilöz’ neuem Buch «Steppenrutenpflanze» Anfang März. Und das zu recht. Denn der seit elf Jahren in der Schweiz lebende Autor schafft es, uns mit einer kunstvoll einfachen Sprache eine fremde Welt vertraut zu machen. Ein kleines kurdisches Dorf in den 70er und 80er-Jahren mit all seinen Geschichten, Käuzen und Familienstreitigkeiten entsteht vor unseren Augen. Ab und zu klopft die moderne Welt oder der unterdrückende türkische Staat an die Haustüren, was aber den Gang der Dinge, die seit Jahrhunderten nach festen Regeln ablaufen, nicht zu ändern vermag. Man ist arm an Gütern, aber reich an Geschichten. Bis die ersten Strommasten hochgezogen werden, die Dorfbewohner ihre Schafe gegen Fernseher eintauschen und Dallas Einzug hält…

Yusuf Yesilöz, «Steppenrutenpflanze. Eine kurdische Kindheit». Rotpunktverlag, 2000, 28.-- sFr.


Enfant terrible
Gläubiger Atheist
Er hat mit Salvador Dalí zusammen den surrealistischen Film erfunden, und amüsierte sich noch in seinen letzten Werken über den «diskreten Charme der Bourgeoisie». Luis Buñuel, dieser «andalusische Hund», Anarchist und Bürgerschreck würde heuer 100 Jahre alt. Mehr als Grund genug für den Wagenbachverlag, den prächtig gestalteten Band «Objekte der Begierde» herauszugeben. Verehrer wie Anfänger finden hier Wege und Irrwege zu Buñuels schillerndem Denken. Und als bitteres Zückerchen am Schluss des Bandes: erstmals auf Deutsch Erinnerungen von Jeanne Rucar de Buñuel an ihren Mann, die ihn von einer ziemlich abscheulichen Seite zeigen. Alles hat er dieser intelligenten Frau verboten: Beruf, Hobbys, sogar das Bücherlesen, und ihr Klavier hat er verschenkt…

Luis Buñuel, Objekte der Begierde, Wagenbach, 2000, 22.80.-- sFr.


Erzählungen aus Puerto Rico
Starke Frauen
Eine echte Entdeckung ist dieser Band mit Erzählungen aus dem kleinen Zürcher Verlag «edition 8». In Puerto Rico ist Ana Lydia Vega eine bekannte Schriftstellerin. Auf Deutsch erscheint sie hier zum ersten Mal. Ihr Blick aufs Leben und die Menschen ist hart, oft mit satirischem Unterton, ihre Sprache direkt. Sie nennt die Dinge beim Namen: Totgelaufene Beziehungen, in Katastrophen endende Ferien, Machos, die ihr Fett abkriegen – und ihr Teil weg… 
Ein Buch nicht nur für Feministinnen. Mir als Mann hat’s jedenfalls auch grosses Lesevergnügen bereitet!

Ana Lydia Vega, «Die Leidenschaft der Geschichte, Puertoricanische Erzählungen», Edition 8, 35.-- sFr.


Neue Schweizer Literatur
Gedankenstrom
Was einem während einer S-Bahnfahrt so alles durch den Kopf gehen kann! Heben Sie einen Moment die Augen vom Papier und lassen Sie die Gedanken schweifen… Arbeit, Schule, der Streit von gestern und die Versöhnung, wer sitzt mir da gegenüber?, wieder diese idiotische Reklame… Der junge Zürcher Autor Ueli Bernays hat dieses Experiment in einen ganzen Roman umgesetzt. Der dicke Held Adrian Frei ist im Zug von Zürich nach Effretikon. Sein Ziel: ein Bordell. Marianne hat ihn verlassen, die alten Freunde waren meist falsche Freunde, er hasst seine Arbeit als Dolmetscher für die Polizei. Er will Sex und schämt sich, dass er als Freier unterwegs ist. Hoffentlich trifft er an diesem heissen Augusttag keine Bekannten! Er schwitzt, hat Durst und muss doch ständig pissen. Und unablässig rollen und strömen die Gedanken. Dem Autor unterkommen auch Plattheiten, gerade wenn über Politik sinniert wird. Darin liegt die Schwierigkeit dieser Erzählweise. Ein unablässiges rhetorisches Feuerwerk wäre unglaubwürdig, zu viel Langeweile aber tödlich. Bernays besteht diese Gratwanderung, weil man spürt dass viel Schmerz und Engagement im Buch steckt. «August» bietet den Lesern Einblicke in eine komisch-traurige männliche Existenz und – wenn der Wille da ist – einiges an Selbsterkenntnis.

Ueli Bernays. «August», Kein & Aber, 220 Seiten, 34.-- Franken


Kochbuch
Vegetarisch glücklich
Zimtbananen und Mangoschnee, Nasi-Goreng und Tabbouleh… ein wahres Gedicht sind diese Rezepte aus allen Kontinenten. Ein schlicht anmutendes Auberginen-Pilz-Ragout aus Ghana war im Nu zubereitet und schmeckte himmlisch. Die Koch- und Zubereitungszeiten sind – passend für uns Grossstadtmenschen – meist sehr kurz. Hintergrundinformationen über exotische Zutaten und verschiedene Esskulturen runden das Kochbuch ab. Der vegetarischen Ernährung gehört die Zukunft. Das kann man dem politisch engagierten Vorwort entnehmen – oder kochend selber erfahren.

Troth Wells: «Vegetarisch leicht & locker. Die schönsten Rezepte aus aller Welt. AT-Verlag, 176 Seiten, 38.-- Franken

Alkoholismus
Legale Droge
6,5 Milliarden Franken werden jedes Jahr in der Schweiz buchstäblich versoffen. Die legale Droge Alkohol richtet bedeutend mehr Schäden an, als all die geächteten Rauschgifte zusammen. Holensteins engagiert geschriebenes Buch packt, weil es keine Glaubensbekenntnisse verbreitet, sondern sorgfältig recherchierte Fakten bietet. Im Mittelpunkt steht der Fall des gleichermassen hochbegabten wie unglücklichen Felix Heiden. Ein Opfer fehlender Liebe im Elternhaus und sexueller Gewalt wird zum Alkoholiker – der erste Schluck kam aus der Messweinflasche! –und schliesslich zum Mörder an seinem Kind. Eine Pflichtlektüre.

Peter Holenstein: «Die Innenseite der Schuld. Alkoholismus: Einstieg, Abstieg, Ausstieg», Haffmans Sachbuch, 336 Seiten, 36.-- Franken

 

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