Eben gelesen und wärmstens empfohlen… Erich Hackl, Sara und
Símon, [Diogenes]. Eine genaue, bewegende Geschichte
aus Uruguay.
Neueste «deutsche» Literatur
Morgen Land
Raul Zelik, Sener Saltürk, Selim Özdogan... wie in der Musikszene,
so tauchen nun auch in der deutschen Literatur neue «fremde»
Namen auf.
In
«Morgenland» kann man viele von ihnen nun kennerlernen. In
diesem dicken – soll man phett sagen? – Taschenbuch hat die junge Generation
mit ausländischen Wurzeln das Wort. «Ihr habt Angst vor unserem
Sperma» rappen Feridun Zaimoglu und Jamal Tuschick. Das Buch macht
Spass und erinnerte mich alten Hasen an die Jörg Fauser, die Beat-
und Apo-Literatur der 70-er, ein Haufen Drogen, Wut und Sex. Und eigentlich
ist diese Multi-Kulti-Etikett ziemlich dröge – das brauchen diese
AutorInnen nämlich nicht, die sind eh gut genug!
Morgenland. Neueste Deutsche Literatur, Fischer Taschenbuch,
19.90 sFr.
Roberto Bolaño
Stern in der Ferne
Roberto
Bolaño ist bekannt geworden durch seine fiktiven Schriftstellerportraits
«Die Naziliteratur in Amerika», ein Kalaidoskop von Irren,
Verbrechnern und Poeten – ganz und gar erfunden ist auch die Figur des
Carlos Wieder. Wieder, der sich auch Ruiz-Tagle nennt, taucht 1973 kurz
vor dem Militärputsch in Chile in Dichterkreisen auf, um es dann während
der Diktatur zu einiger Berühmtheit zu bringen – er schreibt mit seiner
alten Messerschmitt Verse an den Himmel. Die Geschichte, die uns Bolaño
hier erzählt ist gespenstisch. Biographien verlaufen im Sand, Tote
scheinen wiederzukehren. Pessoa, Borges klingen an, und doch ist «Stern
der Ferne» auch hochpolitische Literatur. Ein Buch der ganz anderen
Art und ein grosses Leseerlebnis.
Roberto Bolaño, Stern in der Ferne. Roman aus dem
Spanischen von Christian Hansen, Kunstmann, 30.-- sFr
«Short Cuts» von Raymond Carver:
Kino im Kopf
Lächerlich:
20 Zeilen, um dieses Buch anzupreisen! (Dies ist
die unveränderte Printfassung des Artikel, fe.) Da bleibt nichts
als die Sechs-Sterne-Lobenshymne. (Der Toaster hat
nun auch die Sternchen-Unsitte eingeführt… mein Handke schmeckt mir
heuer nimmer so gut – gebens ihm zwei Sterne und sans ruhig.) Jede
der 22 Erzählungen in Raymond Carvers Erstling ist eine Wucht. Sofort
ist man mittendrin in der Geschichte, da stimmt jeder Satz, die Sprache
ist schnörkellos – doch zwischen den einfachen Sätzen tun sich
Abgründe auf. Die Helden sind Gescheiterte, Verlierer; oft Ehepaare,
deren Rituale gnadenlos seziert werden – der gemütliche Kiff-Abend
von Carl und Mary wird zum Fiasko; Bill und Arlene «ein glückliches
Paar», schnüffeln in der Wohnung ihrer Nachbarn herum. Was als
Neid auf die vom Leben Verwöhnten beginnt, entwickelt sich schnell
zu einem perversen Spiel – bis die Geschichte nochmals eine sehr überraschenden
Wendung nimmt. Robert Altman hat in «Short Cuts» einige der
Stories kongenial verfilmt. Das Buch bietet Kino im Kopf und das jederzeit.
Raymond Carver. Würdest du bitte endlich still sein,
bitte. Erzählungen, aus dem Amerikanischen von Helmut Frielinghaus,
Berlin Verlag, sFr. 38.--
Gänsehaut von Peter Tremayne:
Gruseln auf irisch!
Wenn
es irgendwo in der Welt noch spukt, dann auf der grünen Insel. Irland
ist reich an Legenden und Sagen und hat immer wieder grosse Erzähler
hervorgebracht. Der ausgewiesene Kenner der irischen und keltischen Geschichte
und Mythologie Peter Tremayne verknüpft in seinen fünf Gruselerzählungen
alte Überlieferungen mit der Gegenwart. Ein junger Priester soll die
Bewohner einer einsamen Insel näher zu Gott bringen. Alle begegnen
ihm aber mit Misstrauen, ausser der jungen Máire. Schlimme Visionen
ängstigen ihn und Máire ist ihm nicht nur Trost, sondern weit
mehr... Noch bekämpft er seine sündigen Leidenschaften, doch
bald sieht er seine Alpträume wahr werden. In der Titelerzählung
kommt der Hinkelstein im Garten nur dem blinden Komponisten seltsam vor
- er glaubt, in Stein eingemeisselte Gesichter zu ertasten -, nicht aber
seiner Frau, und so ziehen die beiden in das vermeintlich ruhige und romantische
Haus... Das Buch ist ein guter Begleiter fürs nächste Sommergewitter!
Peter Tremayne, Der Todesstein. Irische Gruselgeschichten.
Aus dem Englischen von Gabriele Haefs, Rotbuch, sFr. 28.--. |