80 Jahre Grass

butt

Ja, ja, der Grass. Ja, ja wieso nicht ein paar Worte zum Butt. Grass-Bashing ist nicht mehr so en vogue? Anyway. Ich und der Grass, das liesse sich so zusammenfassen: Hat sich Grass die ganze deutsche Bürde in seiner Danziger Trilogie aufgeladen (die noble, aber späte Reuung erklärte ja doch einiges), so hat mir Grass mit dem Butt (English: dem Arsch) einen kruden Feminismus aufgeladen. Männer sind Schweine, besonders am Vatertag, ausser sie sind mit einem Weib gesegnet, dass es sich ordentlich von hinten (siehe Titel)… Schwer, als sensibler 17jähriger da wieder rauszufinden… Fussnote: Im Gymnasium lasen wir nicht „den Arsch“ sondern „den Schwanz“ – ich meine „Katz und Maus“. Unser armer Lehrer hat es uns erspart, die Wix- und Spermaszenen vor der Klasse laut lesen zu müssen… „Mindestens 25 cm…“ Oh Gott… Das hätte doch alle postpubertierenden Jungs beschämt… Danke, Herr Scherer für Ihre Milde!

Die Blächtrommel
Ist etwas „aggro“ meine Schreibe. Also ein mildernder Nachsatz: Noch bevor uns Herr Scherer zuhause lesen lies – ich werde, falls man mich endlich einmal zu einer Klassenzusammenkunft einlädt, dort eine Umfrage starten, wer „Katz und Maus“ als Wixvorlage benutzt hat – habe ich mit der „Blechtrommel“ mit 16 zum ersten Mal (nach dem Graf von Monte Christo mit 12, 13) wieder ein Buch wirklich gelesen. Die Literatur hat mich entdeckt und ich bin hängen geblieben. Und, ja, ja, der Grass… Ordentlich von hinten… why not. I’m a bit drunk, sorry folks for this post… Ich brings nicht auf die Reihe! Noch ein Satz: Meine These ist, dass seit dem Butt, welches das letzte Buch Grass‘ ist, das – sagen wir’s salopp – einen hochgekriegt hat, die schweiniglische-erotische Energie fehlt. Der Prosastrom dümpelt, statt sich satt zu ergiessen… Aber vielleicht ist das ja doch besser, so zu altern, als Altherren-Viagra-Prosa abzusondern wie andere Schriftsteller’s von Grass‘ Generation. So fliehend, die Pferde…

Nun also doch: Herr Pfarrer

lobbyMeine Grossmutter väterlicherseits schwärmte immer davon, zwischen zwei Enkeln im Offiziersrang posieren zu können. So schön seien doch die Uniformen. Ich musste sie grausam enttäuschen, als ich nach zehn Tagen meinen Dienst am Vaterland quittierte. Immerhin sprangen zwei Cousins von mir in die Bresche und lächelten, nachdem sie erbarmungslos die anvertrauen Rekruten im Dreck robben liessen, in die Kamera. Meine Oma mütterlicherseits dagegen sah mich schon von klein auf als Pfarrer… War auch irgendwie klar: wer immer mit einem Buch unter dem Arm unterwegs ist, muss ja eine geistigen Weg einschlagen. Nun habe ich von meinen Grossvätern zwar die Namen übernommen. Felix Werner Albert heisse ich nämlich, die perfekte Synthese aus den Träumen meiner Omas, nämlich der Feldprediger, kam aber nicht zustande… auch kein einfacher Landpfarrer ist aus mir geworden.

Bis zum heutigen Tag: Schade, dass meine Oma nicht mehr lebt, sie hätte sich sicher über diese Zeitungsente des „Sonntags-Blick“ gefreut… Auf Seite 13 der „Lobbyliste“ bin als als waseliwas aufgeführt? Richtig! Oh, würde ich jetzt etwas Erhebendes auf Lateinisch sagen, wenn’s wahr wäre… Passender und weniger erhebend: „Sic transit gloria mundi“…

Gib zwei?

Ich sinniere darüber nach, meinen Blog in zwei zu teilen bzw. einen neuen zu eröffnen. „Poesie & Depression“ stehen mit dem Beäugen des Tagesgeschäfts doch in einem ziemlichen Spannungsverhältnis. Oder nimmt man einem SVP-Basher ab, dass er auch weinen kann? Wie wärs mit „brötig“* vs. „nötig“… ? Man komme mir nicht mit dem Etikett, du musst das halt aushalten, die zwei Seiten in dir, „Typisch Zwilling“. Geburtstagesgeschenke am 20. Juni, ja gerne. Aber nicht den Astro-Habakuk.

*Das Schwyzerdütsch erkläre ich für einmal nicht…

Dichter-Lipogramm auf „E“

bertBert Brecht.
Lerne, Fremder, entdecke Bert Brecht.
Lese: Wechseln der Rede. Lese Verse, lese Legenden. Bedenke: Welt erlebte Brecht schlecht. Des Menschen Seele strebt vergebens. Messer leben. Menschen sterben. Wem helfen beste Verse? Der EsEeDe? Gesetz des Lebens. Fressen erst! Der Geck ehrt den Dreck. Der Besen kehrt den Letzten weg. Lerne, Fremder, entdecke Bert Brecht.

Man müsste sich einen Hut zutun in Solothurn

Man müsste alt sein. Ich erinnerte mich dann, wie auf Solothurns Pflastersteinen Kutschen und Schweinekarren fuhren. Pferde blähten die Nüstern, der Wind wehte dem braven Bürger den Hut vom Kopf, Robert Walser beugte seinen Rücken in der «Solothurner Hilfskasse» und malte schöne Zahlen und Buchstaben. Wie Arabesken winden sie sich noch heute in den Häuserschluchten. Man müsste alt sein. Ja, man müsste sich einen Hut zutun in Solothurn. Zwei Finger der linken Hand legten sich dann unter gleichzeitigem Nicken des Kopfes an die Krempe und der Hut lüpfte sich zu einer Geste der Freundlichkeit. Eine Geste die mich und die Begrüssten um so mehr beglücken würde, als dass sie beiläufig sich vollzöge, wie ein Zwinkern mit einem Auge oder ein leichtes Heben der Brauen. «Du bist wieder da», staunten Braue, die Falten der Stirne und auch die Nase, die ich mitten im Gesicht trage. «Grüss Gott» sagte dann mein Hut – ein zu grosses Wort für den Mund, der doch auch schlingt und mit Zähnen bewehrt ist, eine spitze Zunge hat, Gerüchte verbreitend auf den Gassen der kleinen Stadt. Im Hutgeschäft am steilen Weg zur Kathedrale, dessen Bezwingung mich jedes Mal schneller atmen lässt, beglückwünschen mich zwei Damen – sie sind die Hüterinnen der Hüte gewissermassen – als ich im grossen Übermut einen weissen Cowboyhut aufs Haupt setze. Im Spiegelbild sehe ich meinen Grossonkel Hans, der als 19-jähriger Jüngling mit Sporen an den Stiefeln einen Ozeandampfer bestieg, um nach Amerika zu reisen. Hans wird in Hollywood Karriere machen, mit Gary Cooper und Ronald Reagan arbeiten und eine ganze Stunt-Dynastie begründen. «Oh Boy», raunt mir mein Spiegelbild zu. «Er ist wunderhübsch, der Hut, aber schon als Kind hatte ich Angst vor Pferden», sage ich den beiden Damen und lege den Hut behutsam auf die Auslage zurück. «Schlaf weiter, Cowboy», singen die italienischen Strohhüte… «Träum süss», flüstern die Matrosenmützen… Man müsste filterlose Gitanes rauchen auf wilder See und in den derben Hafenkneipen soll es Nacht werden. Ich trinke einen steifen Grog im «Kreuz» und wir scheuern die Sitzbänke blank. Da bleibt kein Splitter im Holz und die Tränen verschenken wir zum Abschied: Sie fliessen bis ins Meer.

Erschienen in: Mensch Solothurn, Januar 2006

Röst hin Gewissen, Gier!

«…hat sich Felix Epper mit seinen Anagrammen in eine sehr spezielle Richtung der Literatur vorgewagt.» Solothurner Zeitung


Röst hin Gewissen, Gier!

«Geheiss Wörter sinnig!»
Hirngrösse Weingeist

«Röst hin Gewissen, Gier!»
Gestern Öhis Wesir: «Gin?» –
«’n Gin! Is’ geweiht.» – «Rösser-
hirn wie Rösti g’gessen.»
– «Öh… Ei, Wirsing, Gerste?» –
«Higgs, wös?» – «Stiernieren!» –
«Gern. Hör! Ist Wein Essig?»
– «Gewiss.» Rösi rinnet. «Geh!»
Wirt: «Resis Söhne, geigt!» ’n
Gönner: «Hier ist gewiss
Eis, Rösi!» – «Hinweg!» Streng:
«Rösi isst gerne.» – «Hinweg!»
Wirr: «Sieg! Segen… Nö! Shit!»
– «Gehirn, stör weise. Sing
Western! Sing, Öhi! Greis!»
–«Wir rein…» Gestöhn: «Geiss!»
– «Hörig wirst geniessen…» –
«Wir Ösen!» Geists Gehirn
gewisser Gören ist hin! *

*3 Wörter mit 19 Buchstaben zu 19 Anagrammen – nebst Vorrede einer Geistesgrösse – geformt als 1 Moment Stammtischprosa. Mit Rösi, Resi, dem Orchester (bestehend aus Resis Söhnen), Wein, Weib und Gesang, einem namenlosen Gönner, dem Wirt, einem obskuren Wesir und dem Öhi. Und auch mit dieser Fussnote nicht entzaubert.

Einer von fünf preisgekrönten Texten des Festivals Science et cité 2005

Auf einem fremden, eigentümlichen unbekannten Planeten

«Nietzsche ist in meinen Augen deshalb ein Bezauberer und Verführer, den man freilich nirgends in seinen so schönen, hinreissenden Zeilen wörtlich nehmen darf, sondern den man sich immer nach irgendeiner Richtung hin übersetzen muss, so als wenn er nicht auf der Erde, vielmehr auf einem fremden, eigentümlichen unbekannten Planeten geliebt, gelebt, gelitten und Band auf Band zusammengezimmert und -geschrieben hätte.»
Eine weitere Stecknadel im Heuhaufen von Robert Walser (BGV/S.261f.)

Auf einem fremden, eigentümlichen unbekannten Planeten

«Nietzsche ist in meinen Augen deshalb ein Bezauberer und Verführer, den man freilich nirgends in seinen so schönen, hinreissenden Zeilen wörtlich nehmen darf, sondern den man sich immer nach irgendeiner Richtung hin übersetzen muss, so als wenn er nicht auf der Erde, vielmehr auf einem fremden, eigentümlichen unbekannten Planeten geliebt, gelebt, gelitten und Band auf Band zusammengezimmert und -geschrieben hätte.»
Eine weitere Stecknadel im Heuhaufen von Robert Walser (BGV/S.261f.)