Felix Epper liest am Fr. 23.10.15 im Kreuz Solothurn

Lesung am Freitag, 23. Oktober 2015 – 20.30 im Restaurant Kreuz Solothurn anlässlich der «KULTUR-BEIZ KREUZ–BUCHVERNISSAGE»

„Kulturbeizen – kulturelle und kulinarische Kostbarkeiten im Mittelland“
Wenn schon die Migros Aare mit dem Kulturprozent ein Buch über Kulturbeizen im Mittelland herausgibt und „das bekannteste Kreuz der Schweiz“ prominent präsentiert, soll das gefeiert werden – mit Kultur und einer Buchvernissage. Das Programm:

1. Felix Epper liest „In den Bergen“ – Der Kreuzmitarbeiter und Schriftsteller Felix Epper war im Frühling 2015 der erste Solothurner Gastkünstler in Sierre (VS). Während seines Atelierstipendiums in der Villa Ruffieux beim Château Mercier entstand eine längere Novelle (Arbeitstitel „In den Bergen“), aus der er lesen wird. Sie handelt von einer Schicksalgemeinschaft vierer Freunde, die im Spätsommer in einem Berghaus durch einen verfrühten Winter von der Aussenwelt ausgeschlossen und auf sich zurückgeworfen werden. Durch das Erzählen und Schreiben von Geschichten versuchen sie zu überleben. Doch die Vergangenheit beginnt, aus allen Ritzen zu kriechen…
www.felu.ch

2. Buchvernissage – es darf aufs neue Buch „Kulturbeizen – kulturelle und kulinarische Kostbarkeiten im Mittelland“ angestossen werden.
www.kulturbeizen.ch

3. Claudia Stephani & The Flying Foxes – Als die Solothurner Singer-Songwriterin im Mai mit einer fahrenden Bühne auf CD-Release-Tour war, um ihr erstes Album „Take a ride“ zu präsentieren, kam sie unter Zeitdruck, weil sie an einem Abend gleich drei Konzerte geplant hatte. Diesmal spielt die Band alle zwölf Songs, die Claudia Stephani im letzten Jahr für ihr Debut erarbeitet hat. Ihr Kanonenkugel-Country und Prärie-Pop sind ein Ohrenschmaus und überzeugen – wie das „Müsterli“ auf dem Landhausquai gezeigt hat – auch live. Take a ride – Claudia Stephani & The Flying Foxes nehmen das Publikum mit auf einen folkigen Ritt in die untergehende Sonne.
www.claudiastephani.ch
Kreuz Kultur Programm September – Oktober 2015

Traum No. 4

Sie waren dem Fluss entlang gegangen. Sie wie immer auf der Spur nach Blüten, Früchten, Beeren, Brennnesseln, Kornelkirschen, Hagebutten. Er einfach mit ihr. Mit stets bereiten Fingern, zu zupfen, zu pflücken, einer Nase um zu riechen in ihrem Dienst. Er hatte diese Vision, wie alle diese Düfte in seine Geliebte eindrangen, wie die Poren ihrer Hände sich mit Saft füllten, die kleinen Hagebuttenkerne sich in ihrer Zunge, ihrem Gaumen, ihrem Mund festkrallten, die Samen der Brombeeren ihren Körper durchwanderten und ihm war, einige dieser Samen würden nie aus ihrem Körper ausgeschieden werden. Manchmal streichelte er ihre Adern, die wie rankten und wuchsen, und jetzt, wo sie nebeneinander sassen auf der alten Bank, die vollgekritzelt war mit Unflätigkeiten, Herzen und Namen, Flüchen und Gebeten, nahm er ihre Hand und meinte Dornen zu fühlen, noch jung und grün. Und es machte ihn unsagbar traurig. Er legte seinen Kopf an ihre Brust, als ob ihm so ein Trost zuteil würde, und das Herz pochte wie wild, und die Haut war warm, und sie roch wie immer, und er badete in diesem Geruch, der einst pures Glück gewesen war, aber der Schmerz beengte seinen Brustkorb. Fester und fester zog es die Schlinge, und ihm brach der Schweiss aus, und dann wusste er, dass er gefangen war. Gefangen bis zu seinem Tode. Brombeeren können in unglaublicher Geschwindigkeit ranken. Er wartete auf den ersten Stich der Dornen, den ersten Tropfen Blut aus seiner Brust und schloss für immer die Augen.

Begabte Vögel

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Seit diesem Sommer
Versammeln sich die Raben
Auf der Mobilfunkantenne
Sei der Himmel blau
Sei er grau

Ihre Stimmen legen sich
Über den Ruf der singenden Vögel
Den Gutenmorgengruss der Liebenden
Gegenüber und im Parterre
Und auch den Streit

Ich wähle deine Nummer
Dir das zu erzählen um fünf Uhr früh
Aber deine Stimme ist nichts
Als dieses Krächzen krah krah
Krah und sie kreisen ruhen kreisen

Ich wähle deine Nummer
Irgendeine Nummer und es sind nurmehr
Raben auf der Leitung und sogar
Das Fräulein vom Amt pickt
Jetzt mit spitzem Schnabel

Lipogramme

Bert Brecht.
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Lerne, Fremder, entdecke Bert Brecht.
Lese: Wechseln der Rede. Lese Verse, lese Legenden. Bedenke: Welt erlebte Brecht schlecht. Des Menschen Seele strebt vergebens. Messer leben. Menschen sterben. Wem helfen beste Verse? Der EsEeDe? Gesetz des Lebens. Fressen erst! Der Geck ehrt den Dreck. Der Besen kehrt den Letzten weg. Lerne, Fremder, entdecke Bert Brecht.

Mehr Lipogramme

Zainab Andalibe

Il s’agit pour moi de trouver un point d’équilibre entre une recherche esthétique et un contexte social. Mes pièces peuvent être vues comme des objets qui donnent ouvertement à penser. Penser une situation, une réalité. C’est finalement au spectateur de se saisir du sens immédiat que l’objet lui procure, afin de lui donner une polysémie personnelle dans son propre rapport au monde.

http://www.zainabandalibe.com/

Zainab Andalibe lives in Bruxelles and was «Artist in Residence» at the Villa Ruffieux, Sierre from April to June 2015.

Nebel eben

Auf den Spuren der Palindrome

Pa|lin|drom das, -s/-e [von griech. παλιν, rückwärts, und δρομος, der Gang, der Lauf]: eine in sich spiegelbildliche Strukturfolge aus Buchstaben, Zahlen, Molekülen etc.

Eine sehr umfangreiche Seite zum Entdecken, Festlesen, selber weiter schreiben.
http://trauerfreuart.blogspot.de/

Kurzer letzter Eintrag

Gestern nachmittag: Auf den Baum gestiegen und Kirschen geessen ! / Heute: un dernier adieu à Joe / Feigenbaum-Ableger eintopfen / Morgen: Koffer packen und adieu à tous / und dann: weiter schreiben …

Kapitel 16

Tuff

Anna zählte die Reihen der Ziegelsteine des Wohnblocks. Sie kam nie bis zur 14. Etage. Die Ziegelsteine waren grob gefügt, Mörtel quoll aus den Ritzen, wenn man eilig an den Mauern vorbeiging, konnte es passieren, dass man sich die Ellbogen blutig riss und dann kleine graue Splitter herausklauben musste. Maria hatte Angst vor porösen Baustoffen gehabt. Tuff ist am schlimmsten, sagte sie einmal. Im alten Tuff sind Knochen, Gebeine, ganze Skelette verborgen, die Wind und Wetter langsam freilegten. Ich kann nicht zu nahe an Menschen herangehen. Beim Küssen habe ich immer die Augen geschlossen, um nicht die groben Poren im Gesicht zu sehen, die talggefüllten Löcher, die roten Äderchen, die feinen Haare auf der Nase.

Es gibt Menschen, die lieben es, mit Grashalmen, Schnurrhaaren von Katzen oder auch den blossen Finger den Körperlandschaften des Geliebten abzusuchen, hatte darauf Anna gesagt. Dass sie solche Liebkosungen liebte, wollte sie ihrer Freundin nicht verraten. Ja, das war mein Elternhaus, sagte sie stattdessen. Sie hatte sich die Plätze ihrer Kindheit gezeigt. Der Wohnblock an der Eisenbahnlinie war nun mit farbigen Platten verkleidet und isoliert, nichts deutete mehr auf die Ziegelsteine hin. Im 14. Stock stand ein Fenster offen. Das war mein Kinderzimmer, hatte Anna gesagt und sie sah sich fallen, fallen, fallen und drückte die Hand ihrer Freundin fester in die ihre.

Sonntagmorgen (kleine Impression)

Am Sonntagmorgen schweigen die Rasenmäher, die Drohnen schlafen, die Kirchenglocken haben ihren Schrecken schon lange verloren, die Früchte an den Kirschbäumen im Garten sind nun erbsengross, dabei haben sie doch erst gerade geblüht, dafür nun überall der wilde Salbei, Glockenblumen. Immer noch im Ohr Jacques Brels «Laat me niet alleen», das in der kleinen Bar erklang, wo ich ab und zu meinen morgendlichen Café trinke, Zeitung lese, zum Fenster hinausschaue, Schatten langsam wandern sehe. Am Sonntagmorgen schweigen die Rasenmäher, ich liege im Gras, noch immer klingen die Glocken und bringen Brels Stimme langsam zum Verstummen. Il est dimanche en Valais; heute werden die Königinnen kämpfen.

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Bild: „Die dunkle Seite…“ Buchmanipulation

Aus Kapitel 15

Tisch

Thomas war der zweite, der sich zurückzog. Er hielt das Schweigen nicht mehr aus und begann in seinem Zimmer ein Beziehungs-Diagramm zu zeichnen. Aus den hastig hingeworfenen Strichen las er: Unsere Ordnung ist endgültig gestört. Es wird uns hier oben alle zerstören. Es wird etwas ausgebrütet. Das Fremde wird unter uns bleiben. Thomas sah in den Spiegel und studierte sein Gesicht. Die Schlaflosigkeit hatte seine Furchen akzentuiert, er war hagerer geworden, er glich, je mehr Jahre ins Lande gingen, immer weniger seiner Mutter und nahm stattdessen die Züge seines Vaters an. Mama war sechs Jahre tot. Thomas mochte seinen Mund nicht, der im Normalfalle leicht nach unten zeigte und ihn immer etwas traurig aussehen liess. Das Lachen aber schien ihn, besonders auf Fotos, immer ein falsches zu sein. Er zog die Stirne in Falten – die Falten mochte er; er blinzelte, schloss dann die Augen, weil ein Staubkorn eingedrungen war. Als er wieder in den Spiegel schaute, glaubte er für einen Augenblick, das Bild des Fremden zu sehen, und eine unglaubliche Müdigkeit überkam ihn. Mit einer letzten Willensanstrengung ging er zur Tür und dann die Treppe hinunter, zurück in die Stube.